#0210 Sewanviertel Teil 2

Entlang der Inforoute Platte & Co (Teil 2)

Weiter geht’s mit meinem Rundgang entlang der verschiedenen DDR-Plattenbautypen. Falls du den ersten Teil noch nicht gesehen hast, hier geht’s lang! Im Sewanviertel in Berlin-Lichtenberg, genauer, im Stadtteil Friedrichsfelde Ost, stehen verschiedene DDR-Plattenbautypen fußläufig beieinander. Ich stelle sie hier kurz vor.

Zeichnung: Die Stadtkönigin blickt auf eine Nachtansicht der verschiedenen DDR-Plattenbautypen im Sewanviertel in Berlin-Lichtenberg
Im Sewanviertel kommen die verschiedenen Plattenbauserien der DDR zusammen

Das Sewanviertel als Freilichtmuseum für DDR-Plattenbau

Der Bezirk Lichtenberg hat die bemerkenswerte Entwicklung des Sewanviertels mittels Schautafeln auf der Inforoute Platte und Co. zu einer Architekturausstellung unter freiem Himmel gemacht. Die Informationen sind weitreichender als die Kurzvorstellung der Gebäude auf meinem Blog. Außerdem kannst du Fotos von den Gebäuden in ihrem ursprünglichen Aussehen betrachten. Die Plattenbauten sind alle bewohnt und den modernen Gegebenheiten angepasst worden. Darüber hinaus wurden sie bunt gestaltet und haben hier und da ein paar neue „Features“ bekommen. So zeigen sich die Gebäude heute viel individueller als zu DDR-Zeiten und durchaus sehr farbenfroh.

Worauf ich in meinen Artikeln nicht gesondert eingehe, sind die Gesellschaftsbauten und Grünflächen. Auch diese werden auf den Schautafeln der Inforoute beschrieben und sind einen Besuch wert. Besonders die üppigen Grünflächen mögen so manche Besucherinnen und Besucher überraschen. Besonderes Highlight: Inmitten von Plattenbauten gibt es eine Kleingartenanlage. Hinter hübschen Gärten ragen die großen Plattenbauten am Horizont in den Himmel. Ein wunderschöner Kontrast! So ist mein Artikel eher als Teaser zu sehen, um den Besuch im Sewanviertel schmackhaft zu machen.

Noch ein Hinweis: Auch die Splanemannsiedlung, die erste Plattenbausiedlung Deutschlands, ist Teil der Route und hat einen eigenen Artikel auf meinem Blog bekommen.

Genug gequasselt, lass uns weiter Plattenbauten gucken!

SK Scheibe

Wir stehen vor einem riesigen 14-Geschosser, einem Modell SK Scheibe. Die Infotafel klärt mich als erstes darüber auf, dass es streng genommen kein richtiger Plattenbau sei. Aber er hat dann irgendwie doch Platten, die in die tragende Skelettrekonstruktion eingefügt wurden. Deshalb auch der Name SK, er ist die Abkürzung für Skelettbau. „Scheibe“ steht für die Form des Skelettbaus, denn es gibt noch andere Formen. Der Helene-Weigel-Platz in Marzahn ist durch große Hochhäuser geprägt, die auch Skelettbauten sind. Ganz ähnliche Skelettbauten wie die in Marzahn findest du in der Leipziger Straße in Mitte. Das Sewanviertel bietet diese andere Form der Skelettbauweise ausnahmsweise nicht.

Doch zurück zu unserer SK Scheibe. Das Gebäude ist keineswegs nur ein Gerippe. Unter den 12 Wohngeschossen befindet sich ein Gewerbegeschoss, das unter anderem die Stadtteilbibliothek beherbergt. Das Gebäude ist insgesamt ein 14-Geschosser wirkt schon riesig und imposant. Doch laut der Infotafel kann dieser Bautyp bis zu 30 Stockwerke hoch werden. Die SK Scheibe gehört zu den jüngeren Modellen der DDR-Architektur, erbaut wurde dieses Gebäude im Jahr 1980.

Mittelganghaus MGH

Kommen wir zum nächsten Koloss, der von weitem sichtbar ist. An dieser Stelle sei noch mal erwähnt, dass ich die Inforoute im Sewanviertel aus praktischen Gründen nicht in der Reihenfolge abarbeite und die SK Scheibe und das MGH ziemlich weit auseinander liegen. Beim Mittelganghaus sind die beiden Aufzugtürme, die das Gebäude an sich überragen, besonders auffällig. Über einen Gang in der Mitte erreicht man die Wohnungen.

P2 /11

Diese lange Zeile mit den roten und blauen Balkonen wurde 1974 gebaut, doch die P2-Serie an sich gibt es schon seit 1961. Das P steht für „parallel“, weil die Fassadenflächen parallel zu den tragenden Wänden errichtet wurden. Die „2“ zeigt an, dass es zwei Aufgänge im Gebäude gibt. Und spätestens jetzt bin ich hinter das Geheimnis gekommen, weshalb die Gebäude oft so unendlich lang sind: Es sind mehrere! Sie sind leicht versetzt direkt aneinander gebaut. Nicht nur bei P2, von vielen Gebäudetypen der hat man gleich mehrere aneinander gebaut.

Bei unserem Exemplar hält der Fahrstuhl nur alle drei Etagen und die sogenannten Verteileretagen erkennt man an der Rückseite des Gebäudes, denn die Fenster sind kleiner, mehr und plattenübergreifend. Siehst du, wie die Fuge genau „durch“ das Fenster verläuft?

P2/6

Da der 6-Geschosser zur P2-Serie gehört, ist vieles ähnlich wie beim P2 / 11. Ich ergänze, dass die sechsgeschossige Ausführung der P-Serie keinen Aufzug hat und nur selten gebaut wurde. Doch hier im Sewanviertel steht der Beweis, dass es sie gibt!

WBS 70

Und hier (Trommelwirbel) ist der Star des DDR-Plattenbaus! Die Serie WBS 70 war ökonomisch und flexibel durch eine veränderte Statik, sie war wahrscheinlich so etwas wie die Perfektion des industriellen Wohnungsbaus. Sie sollte den Wohnungsbau rationalisieren und es gibt keine regionalen Varianten dieses Plattenbautyps. Entwickelt wurde der Gebäudetyp zentral von der Bauakademie und der Technischen Universität Dresden. WBS 70 steht für Wohnungsbauserie 70, weil man sich ab 1970 zusammengesetzt hatte, um sie zu konzipieren.

Ab 1973 ging der WBS 70 in Serie und wurde fortan überall gebaut. Die 5-, 6-, oder 11-Geschosser sind bis zur Wende die Plattenbauweise, die am häufigsten eingesetzt wurde. Obwohl die Gebäude an sich einheitlich ist, sind sie sehr flexibel und wandelbar, sowie von der Außen- als auch von der Innengestaltung her. Deshalb konnte man mit ihr etwas mehr Abwechslung in die Plattenbausiedlungen bringen.

Wir sind nun am Ende unserer virtuellen Tour durch das Sewanviertel angekommen. Wenn du jetzt Lust bekommen hast, dir die Inforoute in Echt reinzuziehen und die Gebäude in ihrer ganzen Größe zu genießen, nimm dir Zeit und gute Schuhe mit. Die Route ist durchaus weitläufig und du möchtest vielleicht hier und da einen Abstecher zu den vielfältig gestalteten Gebäuden und Parks machen, die nicht Teil der „offiziellen“ Route sind. Viel Spaß!

Beim nächsten Mal nehme ich dich mal wieder mit ins ehemalige Westberlin. Das Kuriositätenkabinett der dortigen Wohnungsbauarchitektur ist noch längst nicht ausgeschöpft. Le Corbusier hatte mit seiner Unité d’Habitation die Idee einer sogenannten Wohnmaschine umgesetzt, in der Wohnen, Einkaufen, Freizeit und Dienstleistungen in einem Gebäude zusammenkommen sollten. Seine Berliner Ausführung ist ein Teil der Interbau 57 und somit habe ich das Corbusierhaus im Artikel über das Hansaviertel schon behandelt. Doch zwei weitere, weitaus größere Bauprojekte, die aus einer ähnlichen Idee heraus konzipiert wurden, habe ich dir noch nicht gezeigt. Eines von beiden wurde sogar über eine Autobahn gebaut. Du darfst dich also beim nächsten Mal auf das Pallasseum und die Berliner Schlange freuen.

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