#0208 Splanemannsiedlung

Die Geburtsstunde der Plattenbausiedlung in Deutschland

Die Platte wird bald 100 – ihre ersten Gehversuche hat sie im Berliner Stadtbezirk Lichtenberg getan, genauer, in Friedrichsfelde. Die älteste Plattenbausiedlung Deutschlands ist die Splanemannsiedlung, die von 1926-1930 gebaut wurde. Und sie ist heute noch in ihrer ganzen Pracht zu bewundern. Was erhoffte man sich vom Plattenbau? Und wieso war es bis nach dem 2. Weltkrieg bei dem ersten und einzigen Versuch geblieben? Das alles erfährst du, wenn du weiterliest. Begleite mich in in die älteste Plattenbausiedlung Deutschlands!

Zeichnung der Stadtkönigin, die die Splanemannsiedlung betrachtet
Da staunste, was? Diese idyllische Siedlung ist auch Plattenbau! Und zwar der erste in Deutschland überhaupt.

Das Mekka für Plattenbaunerds

Die älteste Plattenbausiedlung Deutschlands steht genau neben der ersten Großsiedlung Ostberlins, die im kultigen DDR-Plattenbau daherkommt. An diesem Ort hat man also gleich doppelt Architekturgeschichte geschrieben. Plattenbaufans kommen so richtig auf ihre Kosten. Es kann passieren, dass man die Siedlung übersieht. Sie besteht nur aus 118 Wohneinheiten, die sich hauptsächlich die Splanemannstraße säumen. Eine kleine zunächst unauffällige Siedlung, die von der Sewanstraße abgeht. Die Splanemannsiedlung steht seit 1981 unter Denkmalschutz und ihre Häuser sind bis heute bewohnt. Sie ähneln Reihenhäusern und haben wenig gemein mit ihren Nachfahren aus den 1960-er Jahren, die auf der anderen Seite der Sewanstraße in die Höhe ragen.

Die roten und grauen Häuserreihen fallen nicht nur durch ihre satte Färbung auf sondern auch durch die schräg zurückgesetzten Treppenhäuser. Sie haben lediglich zwei oder drei Stockwerke und bestehen nicht komplett aus Betonplatten. Dazu hatte man noch nicht die nötige Erfahrung. Ihre Keller und Schornsteine wurden noch aus Ziegeln erbaut, die Decken und Dachstühle aus Holz. Die Wände wurden aus Beton gegossen und montiert. Es ist grün hier (mit Ausnahme der Häuser), jedes Haus hat einen Vorgarten und einen Garten hinter dem Haus.

Sozialer Wohnungsbau in der Weimarer Republik

Im Berlin der 20er-Jahre herrschte nach dem Ersten Weltkrieg Not, auch, was die Wohnsituation betraf. Arbeiterinnen und Arbeiter traf es besonders hart. Die Wohnungen waren zu klein, zu feucht und zu dunkel. Oft mussten sich viele Personen eine Einzimmerwohnung teilen. Berlin hatte ungefähr so viele BewohnerInnen wie heutzutage und der Wohnungsmarkt war sehr angespannt. Die Wohnverhältnisse waren oft so schlecht, dass die Menschen krank wurden. Ein Plan musste her, um die Menschen würdig unterzubringen.

Die Idee des sozialen Wohnungsbaus kam auf und der damalige Stadtbaurat Berlins unterstützte sie. Selbst Architekt und Stadtplaner, vertrat Martin Wagner die Idee des „neuen Bauens“. Er brachte viele soziale Wohnprojekte auf den Weg. Nach der industriellen Fertigung in vielen Bereichen, ist es eigentlich abzusehen, dass man auch für den Wohnungsbau mit dem Gedanken spielte.

Plattenbau sollte für Einsparungen sorgen

Durch industrielle Massenfertigung versprach man sich kürzere Bauzeiten und enorme Einsparungen. In Amsterdam hatte Wagner das Betondorp kennengelernt, eine Siedlung, die zu größeren Teilen mit Beton gebaut wurde. Allein das war schon ziemlich neu. Das Bauverfahren nannte sich „Bron“ und Wagner nahm es als Grundlage für die Plattenbauweise.

Ein spannender Fakt am Rande: Am liebsten hätte Wagner schon ein bisschen früher mit Großtafeln experimentiert, und zwar im Stadtteil Britz. Er konnte sich damit jedoch nicht durchsetzen. Die Siedlung in Britz wurde dennoch gebaut, nur nicht in Plattenbauweise. Heute ist sie eine der berühmtesten Großsiedlungen Berlins, die viele Besucher anlockt. Du kennst sie! Na, hast du es erraten? Richtig, die Hufeisensiedlung.

Die Siedlung in Lichtenberg wurde schließlich zum Plattenbau-Experiment erkoren. Große Betonplatten wurden vorgefertigt und vor Ort gegossen und zusammengefügt. Einsparungen erzielte dieser Baustil jedoch zur damaligen Zeit noch nicht.

Foto der Splanemannsiedlung in Berlin, zu sehen ist ein Abschnitt der Splanemannstraße mit den roten, zweigeschossigen Gebäuden
Ein Blick in die Splanemannstraße

Warum sich die älteste Plattenbausiedlung Deutschlands nicht rentierte

Ein Grund war mit Sicherheit die Vorgehensweise, bereits existierende Pläne in die Großtafelbauweise umzuwandeln anstatt die Siedlung von Grund auf direkt für diese Bauweise zu planen. Der Architekt Wilhelm Primke hatte die Siedlung schon für die herkömmliche Bauweise entworfen, als Wagner an ihn herantrat. Und es gab noch mehr Tücken mit der Plattenbauweise.

Man hatte Betonplatten gegossen, die ca. 7,5 mal 3 Meter groß waren. Sie wurden schichtweise gegossen und 10 Tage dauerte es, bis sie komplett ausgehärtet waren. Nun richteten die Bauarbeiter die Platten auf. Sie waren schwer und es war noch ganz neu, einen Kran einzusetzen. Dieser musste öfter umgesetzt werden, weil die Siedlung sehr verwinkelt ist. Auch die geringe Stückzahl an Gebäuden sorgte dafür, dass sich das Projekt nicht rechnete. Ursprünglich waren es nur 138 Wohneinheiten. Heute sind es 118, da ein paar Häuser im Zweiten Weltkrieg zerstört worden sind.

Finger weg von der Plattenbauweise! (Zumindest erst mal)

Adé Plattenbausiedlung? Nein, natürlich nicht, denn sonst würden die anderen Schönheiten in dieser Bauweise ja nicht überall herumstehen und ich könnte nicht darüber bloggen. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man aber erst mal die Nase voll von dieser Bauweise. Die Idee war noch nicht ausgereift und nach 1930 dauerte es nicht mehr lang und die Zeit für solche Experimente war leider erst mal vorbei.

Foto von Häusern der Splanemannsiedlung mit einem Plattenbau aus den 60er-Jahren im Hintergrund
Kontrast der Generationen: Vorn die roten und grauen Gebäude der Splanemannsiedlung und im Hinterggrund ein DDR-Plattenbau aus den 60er-Jahren

Die Splanemannsiedlung hieß damals noch gar nicht Splanemannsiedlung sondern Kriegerheimstättensiedlung. Sie war für Kriegsversehrte und ihre Angehörigen vorgesehen. Die Splanemannstraße hieß damals ebenfalls Kriegerheimstraße. Erst 1951, zu DDR-Zeiten, änderte man ihren Namen in Splanemannstraße, nach dem Widerstandskampfer Herbert Splanemann, der in Lichtenberg gewohnt hatte. Mit der Namensänderung der Straße nannten die Leute einfach die ganze Siedlung so, ähnlich, wie es beim Salvador-Allende-Viertel in Köpenick der Fall war.

„Die Gleichförmigkeit ist unerträglich!“

So oder so ähnlich schimpfte man damals über die Plattenbausiedlung. Und ja, ich meine die Splanemannsiedlung, nicht die Großwohnsiedlungen, über die sich heute so einige mit ähnlichen Worten beschweren. Einige der Anwohner in der Umgebung fanden die seriell gebauten Häuser in den 1920er-Jahren grässlich, so heißt es. Dennoch, die Plattenbauten boten unvergleichlichen Komfort mit Bad, Toilette und Küche. Auch solche Aussagen kommen uns doch im Zusammenhang mit dem Plattenbau der späteren Generation bekannt vor, oder? Es kommt alles wieder. Nur Zentralheizung gab es in den 20-er Jahren wirklich noch nicht, auch nicht in der Platte.

In ein paar Jahren wird die Splanemannsiedlung 100 Jahre alt sein. Sie ist gut in Schwung, findest du nicht? Auf dass sie viele weitere Jahre zu bewundern sein wird! In diesem Artikel der Berliner Woche kannst du noch ein bisschen mehr zur Geschichte der Siedlung erfahren. Wie immer wird das einen Besuch nicht ersetzen.

Damit sich deine Anfahrt zur Splanemannsiedlung so richtig lohnt, sehen wir und beim nächsten Mal doch gleich das benachbarte Sewanviertel an!

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